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Schuld gehört zum Menschsein ('Erbsünde'), auf diese pfropft sich noch jeden Tag eine (möglichst klein zu haltende) Tatschuld auf. Schuldig kann man sich dagegen auch ohne reale Schuld fühlen.
Nach Freud steht das Schuldgefühl am Anfang der Kultur, es reguliert das soziale Verhalten. Es ist von einem pathologischen Schuldgefühl zu unterscheiden, das auf negativen Beziehungserfahrungen in der Sozialisation beruht. Ersteres ist eher ein prospektives, freundlich warnendes Schuldgefühl, das zweite zerstört Lebensfreude und Selbstwertgefühl.
Es scheint erst einmal ein Paradox, dass sich Opfer jeder Gewaltform schuldig fühlen, während der/die Täter:in jede (reale) Schuld von sich weist. Es löst sich, wenn man erkennt, dass die Introjektion der Gewalt und die Identifikation mit dem/der Aggressor:in die Schuld des/der Täter:in zum Schuldgefühl des Opfers machen. In jeder Therapie sollte ein solches Schuldgefühl auf seine Ursprünge zurückgeführt und vermindert, die Anerkennung realer Schuld aber gefördert werden.