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Dieser Bericht soll folgendermaßen zitiert werden/This report should be referenced as follows:
Rosian K, Winkler R. Psychotherapie – Begriffe, Wirkfaktoren und ein deutschsprachiger Ländervergleich zu gesetzlichen Regelungen. LBI-HTA Projektbericht Nr.: 93; 2017. Wien: Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment.


Zusammenfassung

Hintergrund

Psychische Erkrankungen sind zunehmend ein gesamtgesellschaftliches Thema und zählen nach Angaben der Global Burden of Disease Study der WHO zu den führenden Ursachen krankheitsbedingter Beeinträchtigungen. Besonders häufig davon betroffen sind Personen im Alter von 15 bis 44 Jahren depressive Störungen, Suchterkrankungen (z. B. Alkohol) und demenzielle Erkrankungen treten dabei tendenziell am häufigsten auf.

Bei der Versorgung von Personen mit psychischen Störungen kommt der Psychotherapie eine zentrale Bedeutung zu. Psychotherapie wird als wissenschaftlich fundiertes Heilverfahren beschrieben, welches zur Behandlung von psychosozial bedingten psychischen bzw. psychosomatischen Erkrankungen, Störungen und Leidenszuständen dienen soll, sowie auch eine präventive bzw. entwicklungs- und gesundheitsfördernde Funktion hat. Das Ziel der Psychotherapie ist demnach die Minderung oder Heilung psychischer Leiden sowie Verhaltensstörungen angesehen.

Methode

Im Rahmen dieses Berichts wurde eine narrativ deskriptive Synthese der Literatur für den Ergebnisteil durchgeführt. Zu Beginn wurde eine systematische Literatursuche hinsichtlich Wirkfaktoren in der Psychotherapie durchgeführt. Darüber hinaus erfolgte eine Handsuche nach 2 Schlüsselpublikationen, die anschließend mittels einer Suche in den Referenzen auf weiterführende Quellen überprüft wurden. Ergänzt wurden diese Recherchen mit gezielten Handsuchen nach relevanter und rezenter Literatur auf den Webseitenvon Institutionen und Fachgesellschaften. Des Weiteren wurde ein semistrukturiertes Interview mit drei Expertinnen des Gemeinsamen Bundesauschusses (G-BA) durchgeführt.

Ergebnisse

Zu Beginn wurde aufgezeigt, dass im thematischen Kontext Psychotherapie sowohl in der Fachliteratur als auch in Policy-Dokumenten mitunter unterschiedliche Begriffe (z. B. Psychotherapieverfahren, -methoden, -schulen, -orientierungen oder -techniken) verwendet werden. Deshalb wurde zunächst eine Begriffsklärung bzw. eine Unterscheidung vorgestellt, die die Unterschiede im deutschsprachigen Raum verdeutlichen.

Hinsichtlich der Wirkfaktoren ist in der Psychotherapie die grundsätzliche Unterscheidung zwischen allgemeinen und spezifischen Wirkfaktoren zu beachten, die mit (positiven) Therapieeffekten assoziiert sind. Unter allgemeinen Wirkfaktoren werden all jene Therapievariablen zusammengefasst, die über alle Psychotherapiemethoden hinweg vorhanden sind und die zu Therapieerfolgen bei PatientInnen führen. In Ergänzung dazu werden spezifische Wirkfaktoren als explizite Therapietechniken angesehen, die in einer Psychotherapiemethode verankert sind und die einer bestimmten Zielerreichung (z. B. Reduktion von Angststörungen) im Psychotherapieprozess dienen. Prinzipiell  formulieren  alle gesetzlich anerkannten Therapiemethoden  diverse Grundvoraussetzungen, die in der Psychotherapie erfüllt sein müssen, damit erwünschte Wirkungen für PatientInnen erzielt werden können.

Hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen und den Voraussetzungen für die staatliche Anerkennung neuer Psychotherapiemethoden konnten zahlreiche Unterschiede aufgezeigt werden: In Österreich und der Schweiz gibt es beispielsweise in Richtlinien enthaltene Kriterien, die für eine Anerkennung von neuen Psychotherapiemethoden zu erfüllen sind. In Deutschland wiederum wird die Anerkennung durch ein Nutzenbewertungsverfahren anhand  der Verfahrensordnung des G-BA reglementiert. Daraus ergibt sich, dass es im deutschsprachigen Raum unterschiedlich viele Psychotherapiemethoden gibt, die eine gesetzlich anerkannte Kassenleistung für den ambulanten Bereich darstellen. In Deutschland können drei Psychotherapieverfahren als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung ambulant erbracht werden, während in Österreich und der Schweiz jeweils 23, teilweise disgruente Psychotherapiemethoden gesetzlich anerkannt  sind.  Die Voraussetzungen zur beruflichen Ausübung von Psychotherapie sind im deutschsprachigen Raum ebenfalls unterschiedlich geregelt. Unterschiede gibt es beispielsweise in den Ausbildungsvoraussetzungen, der Dauer der Ausbildung und der Zugangsvoraussetzungen in Deutschland, der Schweiz sowie in Österreich (z. B. Hochschulabschluss in Medizin/Psychologie in Deutschland und der Schweiz, während in Österreich die Hochschulreife als wesentliche Voraussetzung gilt).

Diskussion und Schlussfolgerungen

Im Verlauf der Bearbeitung des Berichts hat sich hinsichtlich der Wirkfaktoren gezeigt, dass vor dem Hintergrund der identifizierten Literatur für allgemeine Wirkfaktorenmitunter eine größere Bedeutung für die Erzielung vonTherapieeffekten angenommen wird als für spezifische Wirkfaktoren. In diesem Kontext finden sich Hinweise, dass die Qualität der therapeutischen Beziehung (Therapieallianz) auf der Interaktionsebene einer Psychotherapie einen zentralen allgemeinen Wirkfaktor darstellt. Spezifische Wirkfaktoren hingegen ergeben sich v. a. vor dem Hintergrund unterschiedlicher Theorien zu psychischer Störung und Gesundheit. Aus diesem Grund wird die gemeinsame Berücksichtigung von allgemeinen und spezifischen Wirkfaktoren beider Feststellung von Therapieeffekten empfohlen.

Die Ergebnisse zur Anerkennung  neuer  Psychotherapiemethoden zeigen, dass die Gesetzgebungen im deutschsprachigen Raum sehr heterogen gestaltet sind. Die Anerkennung neuer Therapiemethoden ist deshalb unterschiedlichen Anforderungen unterworfen.

Die Zulassungsvoraussetzungen für eine psychotherapeutische  Berufsausübung bzw. Ausbildung differieren ebenfalls im deutschsprachigen Raum. Allerdings umfassen die länderspezifischen Gesetzgebungen zu erfüllende Voraussetzungen für die Aus- und Fortbildung, wovon ausgegangen werden kann, dass diese zu einer eigenständigen und qualitätsgesicherten Berufsausübung befähigen.

Vollständiger Projektbericht



Quelle: Ludwig Boltzmann Gesellschaft – Österreichische Vereinigung zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung / Februar 2018



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