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Für eine Revival der Gruppentherapie - Herzlich Willkommen zu meinem Gruppenblog!

Stockert Michael am 16.12.2016
Fr 16 Dez Gruppen stellen seit gut 10 Jahren einen Schwerpunkt meiner Arbeit dar und ich bin sehr fasziniert davon WAS in diesen Gruppen basiert und vor allem WIE sich heilsame Momente und Begegnungen oftmals inszenieren.

Im Besonderen möchte ich mich im Rahmen dieses Blogs mit Aspekten der Gruppentherapie beschäftigen die mir im Laufe meiner Arbeit auffallen und auch unterschiedliche Stile von Gruppenarbeit vorstellen, die ich im Laufe diverser Ausbildungen kennen gelernt habe. Ich würde mich freuen, dass diese meine Beiträge eine Diskussion anstoßen und die (teils langjährigeren) Erfahrungen vieler KollegInnen und Kollegen letztendlich hier ausgetauscht werden können.

Die Frage in meinem Kopf hin- und her wälzend, welchem Aspekt ich einen ersten Blog widmen soll habe ich mich entschlossen mich anhand meiner eigenen Gruppensozialistaion hier vorzustellen - mit der Intention einige Themen zu adressieren, über die ich in der Folge schreiben möchte:

Meine primäre „Gruppenerfahrung“ in meiner Familie war von einem sehr kühlen, leistungsorientierten Klima geprägt, in dem meine eigene Selbstverständlichkeit, dass es gut so ist, wie ich bin nicht unbedingt gefördert wurde. Auch meine Peererfahrungen in der Schule waren von dem Gefühl geprägt nicht ganz dazu zu gehören.

Einen positiven Kontrast dazu haben einige Gruppenerfahrungen im nicht therapeutischen Umfeld dargestellt, bei denen ich das Wir Gefühl der Gruppe als besonders wohltuend erlebt habe.
Eigene Erfahrungen in einer gestalttherapeutischen Gruppe bei Reinhard Tötschinger haben mich mit der Idee anfreunden lassen, dass es einen Weg raus aus dieser – selbstgewählten - Einsamkeit gibt.

In mehrerer Hinsicht wegweisend waren schließlich jahrelange Gruppenerfahrungen bei einem Mitarbeiter von Graf Dürkheim, Bert Kemming, bei denen ich die Spannung des ganz bei mir Seins und deutlich von der Gruppe getragen Seins besonders intensiv und heilsam erlebt habe. Das Setting, das durch eine Kombination von Meditation und Gruppenprozessen, bei denen die Regel galt nonverbal zu agieren und zu interagieren, ermöglichte berührende Erfahrungen. Der sehr bewusste Umgang mit der Wahrnehmung dieser Prozesse, den Worten in der folgenden Benennung und der Integration dieser Erfahrungen spiegelt sich in meinem Arbeitsstil bis heute wieder. Diese von Bert Kemming entwickelte Arbeit heißt „Handeln aus dem Augenblick“ und möchte ich in einem späteren Blog detaillierter vorstellen.

In diversen therapeutischen Ausbildungsgruppen (viele davon beim IGWien) konnte ich mehrfach die Erfahrung machen, dass es mir stets gut gelungen ist, mir meinen Raum zu nehmen und mir von den anderen Gruppenmitgliedern durchwegs viel Respekt entgegen gebracht wurde. Auch das Gefühl des Verbunden Seins und der Kontinuität mit der Gruppe ist nicht zu kurz gekommen. Und gerade im Ausbildungskontext, wo man schlussendlich ein Zertifikat „will“ spielte immer ein Schuss Taktik mit, wie viel Zensur in welchem Kontext doch angebracht bleibt – das war manchmal der Leichtigkeit und dem Fallen lassen etwas abträglich!

Eine besondere Erfahrung mit Gruppen habe ich im Rahmen von „Counzils“ kennen gelernt: Diese Art der Arbeit hat ihren Ursprung bei den Hopi in Amerika, wo Stammestreffen in diesem Stil stattfanden. Anhand knapper Regeln wird eine sehr fokussierte Kommunikation „vom Herzen aus“ angeregt bei der sich oftmals eine „Weisheit der Gruppe“ entfaltet. Diese Arbeit habe ich bei der Windhorse Gesellschaft kennen gelernt, bei der ich jahrelang mitgearbeitet habe und wo ich an zahlreichen Fortbildungen im Bereich der kontemplativen Psychologie teilgenommen habe.

Ein weiterer Schritt in meiner Gruppensozialisation war die Zeit in der ich Co-Therapeut bei Hans Peter Bilek war: In der gut besuchten Gruppe mit Teilnehmerinnen deutlich divergierender Diagnosen und Persönlichkeiten herrschte ein intensiver und lebendiger Umgang mit auch intensiven Körperinterventionen. Das Einfinden in die Rolle des Co-Therapeuten war anfangs mit Unsicherheit verbunden und in der Folge konnten wir den Gewinn der Ergänzung unterschiedlicher Sichtweisen und die Bereicherung der gemeinsamen Reflexion erleben.

Die Arbeit von Bud Feder, der schon in den 80 ern ein Buch „beyond the hot seat“ veröffentlichte und diese von ihm mit Interaktive Gruppen bezeichnete Arbeit nach wie vor lehrt, hat mich sehr begeistert: Er beschränkt seine Gruppenarbeit im wesentlichen auf das Hier und Jetzt und ermuntert die Gruppenmitglieder sich selbst bewusst wahrzunehmen und dieses aktuelle Befinden den anderen Gruppenmitgliedern mitzuteilen. Dabei zeigen sich pur und unverfälscht die üblichen Muster in der Kommunikation – also die „Kontaktunterbrechungen“ -  und es ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten für Experimente im Hier und Jetzt im Austausch mit den anderen Gruppenmitgliedern. Diese stille und bedachte Art der Gestaltarbeit, bei der sich die Lebendigkeit der Gruppe aus dem Augenblick heraus immer wieder neu entfaltet, hat eine eigene Faszination: sie ist fokussierter als „normale“ Gestaltgruppen, da die oft als „Füllmaterial“ verwendeten Geschichten aus dem Alltag draußen bleiben. Sie lässt sich durch die Abstraktion von Alltagsthemen auch unproblematisch mit Einzeltherapie kombinieren.

Eine besondere Erfahrung mit Gruppe habe ich mit dem amerikanischen Gestalttherapeuten Leonard Shaw in Berlin gemacht: Er hielt ein Seminar mit dem Namen „love and forgiveness“ in dem er die aus der Gestalttherapie bekannte Methode der Sesselarbeit fortführt und ermuntert sich ganz in „die Schuhe des Täters“ zu stellen und auf diesem Weg versöhnliche Erfahrungen zu vergangenen Unterdrückungserlebnissen zu machen. In diesem Seminar stand der 83 jährige Mann auf und outete sich mit delikaten Themen seines Werdeganges. Damit regte er eine Welle von weiteren Outings in der mehr als 30 Personen umfassenden Gruppe an, die ich als besonders berührend erlebt habe. Diese Erfahrung wirft für mich die Frage auf, wie viel Selbstoffenbarung vom Gruppenleiter wann was bewirkt, der ich mich ebenfalls in einem weiteren Blog widmen möchte.

Diese Erfahrungen lasse ich in meine Gruppentherapien einfließen und stoße immer wieder auf neue Aspekte, die ich aus unterschiedlichen Blickwinkeln hier reflektieren und auch gerne diskutieren möchte. Ich freue mich über Anregungen und Rückmeldungen.

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