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Lexikon > Dissoziation (Psychologie)



Der Begriff Dissoziation beschreibt in der Psychologie die Trennung von Wahrnehmungs- und Gedächtnisinhalten, welche normalerweise assoziiert sind. Hierdurch kann die integrative Funktion des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Wahrnehmung und der Identität beeinträchtigt werden.

Erläuterung


Im Gehirn wird eine Erlebensspur aus einer Vielzahl von Eindrücken, nämlich visuellen, auditiven, taktilen, olfaktorischen, gustatorischen, propriozeptiven und kinästhetischen Signalen generiert. Hierfür müssen die an unterschiedlichen Orten im Gehirn eintreffenden Signale verarbeitet und integriert werden. Die dabei entstehende Erlebensspur wird nach Raum und Zeit geordnet und im Gedächtnis gespeichert. Aufgrund der hohen Verarbeitungs- und Integrationsfähigkeit des menschlichen Gehirns werden diese unterschiedlichen Prozesse vom Individuum als Einheit erlebt. In Wirklichkeit jedoch sind viele Faktoren notwendig, damit mentale Prozesse und Inhalte miteinander verbunden werden können und somit diese erlebte Einheit erhalten bleibt. Sind zwei oder mehr mentale Prozesse oder Inhalte nicht mehr miteinander verbunden, obwohl dies normalerweise der Fall ist, so spricht man von Dissoziation. Diese kann im Alltag als normales dissoziatives Phänomen vorkommen, aber auch als psychische Störung auftreten und die Funktionsfähigkeit des Individuums erheblich beeinträchtigen.
Beispiele für dissoziative Alltagsphänomene:
  • Ein Marathonläufer blendet in einer Art von Trance seine Schmerzen aus.
  • Ein Computerspieler ist während des Spiels so tief versunken, dass er zeitweilig das Gefühl für die verstrichene Zeit verliert.
  • Ein Student erleidet während einer langweiligen Vorlesung eine kurze Erinnerungslücke, weil er seine Aufmerksamkeit nicht fokussiert.

Beispiele für dissoziative Störungen:
  • Bei einem Traumaopfer wechselt die Erinnerungsfähigkeit an das traumatische Erlebnis ungewöhnlich stark.
  • Ein Mensch hat noch während eines traumatischen Ereignisses das Gefühl, sich in eine „agierende“ und „beobachtende“ Person zu spalten.
  • Ein Vergewaltigungsopfer hat noch nach Jahren psychogene Schmerzen im Unterleib, obwohl das auslösende Ereignis aufgrund einer traumatisch bedingten Amnesie nicht erinnerbar ist.


Diagnostik


Die durch Dissoziation hervorgerufenen Phänomene und Symptome weisen eine enorme Spannbreite auf. Während einige Betroffene eine Beeinträchtigung insbesondere des autobiografischen Gedächtnisses oder des Identitätserlebens oder der Wahrnehmung beschreiben, führt die Dissoziation bei anderen Betroffenen zu Bewegungsstörungen, Schmerzstörungen oder Krampfanfällen. Dabei können die beobachtbaren Symptome denen von neurologischen Erkrankungen (epileptischen Anfällen, Demenz usw.) ähneln. Es besteht folglich Verwechslungsgefahr, denn als innerpsychischer Vorgang ist die Dissoziation keiner direkten Beobachtung zugänglich. Dass Symptome auf Dissoziation zurückzuführen sind, muss deswegen durch Ausschluss anderer Erklärungsmöglichkeiten (z. B. neurologische Erkrankung) und anhand der Typizität der Symptome sowie der Autobiografie des Betroffenen rückerschlossen werden.

Begriffsabgrenzungen


Im medizinischen Nomenklatursystem DSM wird der Begriff der Dissoziation beschrieben als „eine Unterbrechung der normalerweise integrativen Funktion des Bewusstseins, des Gedächtnis, der Identität oder der Wahrnehmung.“ Im ICD-10 wird das Dissoziationskonzept auch auf neurophysiologische Systeme der Motorik, der Sensibilität und der Sensorik ausgeweitet. Da sowohl den dissoziativen Störungen, wie auch den Konversionsstörungen sowie den somatoformen Störungen komplexe Konzepte zugrunde liegen, sind diese Begriffe nur schwer gegeneinander abgrenzbar und werden zur Zeit noch je nach Nomenklatursystem in unterschiedliche Störungsgruppen eingeteilt und zusammengefasst. Beispielsweise wird im ICD-10 nicht zwischen dissoziativen Störungen und Konversionsstörungen unterschieden. Trotzdem werden in der Literatur diese Begriffe häufig weiterhin unterschiedlich verwendet. Von Konversion wird in der Literatur eher dann gesprochen, wenn ein Konflikt wie z. B. ein belastendes Ereignis oder ein belastender Beziehungskonflikt unbewusst in ein körperliches Symptom konvertiert, welches neurologische Symptome zu imitieren scheint. Diese Symptome können als symbolische Lösung des unbewussten Konfliktes verstanden werden, welche Angst reduzieren soll, indem der eigentliche Konflikt außerhalb des Bewusstseins gehalten wird. Von Dissoziation wird in der Literatur oft dann gesprochen, wenn ein nichtintentionaler und autoregulativer Verarbeitungsmechanismus des belastenden Ereignisses stattfindet. Von somatoformen Störungen wird allgemein vor allem dann gesprochen, wenn sich äußere psychische Belastungen in körperlich spürbare Belastungen umwandeln. Eine Festlegung in Bezug auf die symptomverursachenden innerpsychischen Prozesse wird bei diesem Begriff nicht getroffen.
Abzugrenzen ist der Begriff der Dissoziation von dem Begriff der Verdrängung, welcher auf ein Modell Freuds zurückgeht. Während beim Konzept der Verdrängung ein nicht bewältigbar scheinender Konflikt ständig verdrängt gehalten wird, wird beim Modell der Dissoziation davon ausgegangen, dass manche Erlebnisse gar nicht erst auf bewusster Ebene erscheinen.

Dissoziation im ICD-10


Dissoziation im psychiatrischen und/oder psychotherapeutischen Sinne kann als ein Defekt der mentalen Integration verstanden werden, bei der eine oder mehrere Bereiche mentaler Prozesse vom Bewusstsein getrennt werden und unabhängig voneinander ablaufen (Abspaltung von Bewusstsein). Demgegenüber umfasst Konversion somatische, also sensorische und motorische Phänomene.1
Dagegen werden in der ICD 10-Klassifizierung die Begriffe dissoziative Störung und Konversionsstörung synonym verwendet. Das allgemeine Kennzeichen der dissoziativen oder Konversionsstörungen besteht danach in teilweisem oder völligem Verlust der normalen Integration der Erinnerung an die Vergangenheit, des Identitätsbewusstseins, der Wahrnehmung unmittelbarer Empfindungen sowie der Kontrolle von Körperbewegungen.2
Bei Dissoziationen handelt es sich um eine vielgestaltige Störung, bei der es zu einem teilweisen oder völligen Verlust von psychischen Funktionen wie des Erinnerungsvermögens, eigener Gefühle oder Empfindungen (Schmerz, Angst, Hunger, Durst, …), der Wahrnehmung der eigenen Person und/oder der Umgebung sowie der Kontrolle von Körperbewegungen kommt. Der Verlust dieser Fähigkeiten kann von Stunde zu Stunde unterschiedlich ausgeprägt sein.

Geschichte


Das Dissoziationsmodell hat sich im 19. Jahrhundert aus der Assoziationspsychologie entwickelt und wurde anfangs zur Interpretation von Hysterie, Vorgängen bei Hypnose und von Beobachtungen von Verdoppelungen oder Vervielfachungen von Persönlichkeiten angewandt. Theorien um 1880 betrachteten vor allem das Trauma als Auslöser von Dissoziationen. So beschrieb Pierre Janet 1889 Amnesien und Identitätsstörungen als seelische Krankheiten infolge eines Traumas. Nachdem es zwischen 1920 und 1970 deutlich weniger aktuell war, fand das Dissoziationsmodell ab 1970 wieder Beachtung.
Dissoziation bedeutet eine Unterbrechung des Stroms des Bewusstseins, die Abspaltung von Gefühlen, Körperwahrnehmung und Emotionen, der Erinnerung, der Identität und der Wahrnehmung der Umwelt.
Nach neueren Forschungen3 (um 2006) werden die Psychosomatische Störung und Konversionsstörung dem Oberbegriff Somatoforme Dissoziation zugeführt und (in Abgrenzung zur psychoformen Dissoziation) den dissoziativen Störungen zugeordnet. Nijenhuis, Hart und Steele vertreten das durch neurobiologische Befunde unterstützte Konzept der Strukturellen Dissoziation.45 Hiernach werden bei sehr schweren und kontinuierlichen Psychotraumatisierungen, insbesondere in der Kindheit, die symptomatischen Empfindungs- und Verhaltensmuster dauerhaft unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen (ego states) zugeordnet.6 Die Autoren vertreten die Hypothese, dass die entsprechenden Verhaltensweisen, Empfindungen und Einschätzungen auch im späteren Leben, unabhängig von traumatisierenden Situationen, kaum vermieden werden könnten.
Patienten mit dissoziativen Störungen leiden oftmals unter chronischen Körpersymptomen, welche der Behandler als Dissoziationen seines Patienten verstehen sollte sowie als Zeichen der Desintegration der Gesamtpersönlichkeit.
Die Symptome sind hier das Ergebnis einer instinktiven Überlebensreaktion des Menschen, ähnlich der von Tieren, und erzeugen Erregungs- oder Betäubungszustände.
Die Betrachtung der Endorphin-Neurotransmitter auf biochemischer Ebene zeigt ein neuartiges Verständnis der Dissoziation auf der Verhaltensebene.

Dissoziative Störungen im medizinischen Nomenklatursystem ICD-10


Im ICD-10 werden unterschiedliche dissoziative Störungen (Konversionsstörungen) beschrieben. Gemeinsames Merkmal ist, dass keine körperliche Krankheit nachgewiesen werden kann, welche die Symptome erklärt, und dass es einen zeitlichen Zusammenhang der Symptome mit belastenden Ereignissen, Problemen oder Bedürfnissen gibt.

Dissoziative Amnesie


Bei der dissoziativen Amnesie (F44.0) fehlen der betreffenden Person ganz oder teilweise Erinnerungen an ihre Vergangenheit, v. a. an belastende oder traumatische Ereignisse. Die Amnesie geht weit über das Maß der normalen Vergesslichkeit hinaus, d. h. dauert länger an oder ist stärker ausgeprägt. Das Ausmaß der Amnesie kann jedoch im Verlauf schwanken.

Dissoziative Fugue


Unter einer dissoziativen Fugue (F44.1) (auch psychogene Fugue) wird das unerwartete Weggehen von der gewohnten Umgebung (Zuhause, Arbeitsplatz) verstanden. Die Reise ist äußerlich normal organisiert, die Selbstversorgung bleibt weitgehend erhalten. Es besteht eine teilweise oder vollständige Amnesie für die gesamte Vergangenheit oder Teile davon (besonders für traumatische Ereignisse). Nach DSM-IV wird als zusätzliches Kriterium eine Verwirrung über die eigene Identität oder die Annahme einer neuen Identität gefordert. Letzteres ist jedoch selten der Fall. Wenn doch, dann ist die neue Identität meist durch mehr Geselligkeit und weniger Zurückhaltung gekennzeichnet. Die Dauer kann einige Stunden bis hin zu mehreren Monaten betragen.

Dissoziativer Stupor


Beim dissoziativen Stupor (F44.2) sind willkürliche Bewegungen, Sprache sowie die normale Reaktion auf Licht, Geräusche und Berührung vermindert oder fehlen ganz. Die normale Muskelspannung, aufrechte Körperhaltung und Atmung sind jedoch erhalten, die Koordination der Augenbewegungen ist häufig eingeschränkt.

Trance und Besessenheitszustände


Hypnagogischer Zustand
Trance ist der Zustand, in dem sich eine Person befindet, wenn eine Tranceinduktion, z. B. im Setting einer Psychotherapie durchgeführt wurde.
Im allgemeinen Sprachgebrauch unterscheidet man zwischen:
  • Alltagstrance und Problemtrance
  • Leichte Trance
  • Tieftrance
  • 3 Phasen einer Trance
    • Induktion (Einleitung)
    • Utilisation (Tranceinhalt)
    • Reorientierung (Rückkehr)

Ein veränderter, entspannter Bewusstseinszustand ist ein Bewusstseinszustand, in dem die Aufmerksamkeit so intensiv auf ein Objekt oder einen Prozess gerichtet ist, dass andere Wahrnehmung ausgeblendet oder eingeschränkt wahrgenommen wird. Ein Bewusstseinszustand mit vermehrter psychosomatischer Durchlässigkeit und kognitiver Flexibilität. Sie beruht auf einer Aktivität der nicht dominanten Hirnhemisphäre.
In der Darstellung der Hirnwellen (EEG) treten vermehrt Alpha-, Delta-, Theta- oder Gamma-Wellen auf – im Gegensatz zum normalen Wachbewusstsein, in dem vorwiegend Beta-Wellen vorkommen.
Trance ist ein natürliches Phänomen, das im alltäglichen Leben vorkommt und auch therapeutisch genutzt werden kann. Die Fähigkeit des Menschen, in Trancezuständen andere Dimensionen der Wirklichkeit erfahren zu können, wird von Heilkundigen und Schamanen seit Jahrtausenden im rituellen Kontext für diagnostische, therapeutische und spirituelle Zwecke genutzt, wobei Heilung und Spiritualität im Allgemeinen untrennbar miteinander verwoben sind. Dieses wertvolle Potenzial, das im Körper jedes Menschen biologisch verankert ist, ist in unserer heutigen westlichen Zivilisation häufig verkümmert oder wird in zum Teil destruktiver Form ausgelebt (Alkoholmissbrauch, Drogenkonsum u. a.).
Trance ist ein veränderter Zustand des Erlebens und Verhaltens, der weder mit dem alltäglichen Wachsein noch mit Schlaf identisch ist. In Trance ist die kontrollierende Aktivität des Bewusstseins vermindert, die selbständigen
Funktionen des Unbewussten sind verstärkt und leichter beeinflussbar.
Trance kann verschiedene Tiefenstadien erreichen, vom leichten Tagtraum nahe dem Wachzustand bis zum hypnotischen Tiefschlaf, an den man hinterher keine Erinnerung mehr hat. Viele Untersuchungen beweisen, dass Menschen in hypnotischem Schlaf auf Suggestionen reagieren, auch wenn das Bewusstsein „verschwunden“ ist und sie sich hinterher an nichts mehr erinnern. Trance-Erlebnisse sind nichts Exotisches, das nur wenige Auserwählte nach jahrelangem Training oder intensiver, raffinierter Beeinflussung erleben können. Jeder Mensch erlebt häufig Zustände von „Alltagstrance“, die manchmal nicht weniger tief sind als die Trancen, die von erfahrenen Hypnotiseuren eingeleitet werden.
Leichte Trancezustände treten auch während des Tages auf, z. B.: Man fährt von A nach B und ist sich dessen nicht vollständig bewusst. Das Gehirn braucht leichte Trancezustände mit Alpha-Wellen, um sich zu regenerieren. In dieser Phase werden Botenstoffe und Nährstoffe wieder für das Gehirn bereitgestellt. In der Analogie der Computerwelt: Der PC wird heruntergefahren, um dann die Programme wieder laden zu können.
Klienten beschreiben den Zustand oft als sehr tief empfundene Entspannung, als sehr angenehm, ein Gefühl von Leichtigkeit oder eine angenehme Schwere. Das Zeitempfinden in Trance ist sehr häufig verändert. In der Trance können sich auch der Herzschlag, die Atmung, die Sauerstoffaufnahme, der Blutfluss, die Hauttemperatur harmonisierend verändern. Weitere Wirkungen sind endokrinologisch (Stresshormone sinken), immunologisch (Leukozytenmobilität steigt, bessere Wundheilung), zentralnervös (Tonusveränderung), vegetativ (beruhigende, stabilisierende Umstellung), psychologisch (Trancelogik, Bilder, Botschaften, Toleranz gegenüber Inkongruenz), erhöhte Erinnerungsfähigkeit (Kindheit), Leistungsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Emotionalität und Zeitwahrnehmung. Trance stärkt und erweitert die eigenen Ressourcen.
Besonders in Phasen hoher geistiger und körperlicher Anspannung kann es gut sein, sich eine „mobile Oase der Ruhe“ zu schaffen. Durch Meditationen, Entspannungstechniken oder die therapeutische Trance können Menschen ihr körperliches, geistiges und seelisches Wohlbefinden steigern.

Besessenheitszustand


Bei einem Besessenheitszustand sind die Betroffenen überzeugt, von einem Geist, einer Macht, einer Gottheit oder einer anderen Person beherrscht zu werden.

Dissoziative Bewegungsstörungen


Bei dissoziativen (oder psychogenen) Bewegungsstörungen (F44.4) kommt es entweder
  • zu einem Verlust oder einer Einschränkung der Bewegungsfähigkeit (Willkürmotorik, Sprache) oder
  • zu Koordinationsstörungen, Ataxie oder der Unfähigkeit, ohne Hilfe zu stehen.

Dissoziative Bewegungsstörungen machen 2,6 bis 25 % der Bewegungsstörungen in neurologischen Abteilungen aus.7 Davon wiederum fallen 32,8 % auf den psychogenen Tremor, 25 % auf die psychogene Dystonie, 25 % auf den psychogenen Myoklonus, 6,1 % auf den psychogenen Parkinsonismus und 10,9 % auf die psychogene Gangstörung.

Dissoziative Krampfanfälle


Bei dissoziativen Krampfanfällen (F44.5) kommt es zu plötzlichen und unerwarteten krampfartigen Bewegungen, die an einen epileptischen Anfall erinnern können. Es kommt jedoch nicht zum Bewusstseinsverlust, Zungenbiss, schweren Hämatomen oder Verletzungen aufgrund eines Sturzes oder zur Urininkontinenz.
Zu den dissoziativen Krampfanfällen gehört der klassische Arc de cercle. Sigmund Freud hat eine Reihe von Fällen unter dem Begriff Hysterie beschrieben.

Dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen


Bei den dissoziativen Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen (F44.6) liegt entweder ein Verlust (teilweise oder vollständig)
  • der normalen Hautempfindungen (ein Körperteil oder am ganzen Körper) oder
  • des Seh-, Hör- oder Riechvermögens vor.


Sonstige dissoziative Störungen


Hierzu gehören z. B.
  • das Ganser-Syndrom (auch Vorbeiantworten, Pseudodebilität, F44.80) und
  • die multiple Persönlichkeitsstörung (auch: dissoziative Identitätsstörung, F44.81). Nach dem DSM-IV (dem Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen) müssen zwei oder mehr getrennte, völlig unterschiedliche Identitäten oder Persönlichkeitszustände vorhanden sein und im Wechsel das Verhalten des Betroffenen bestimmen. Diese Störung gehört nicht zu der Gruppe der Schizophrenie, auch wenn dies im landläufigen Begriff Spaltungs-Irresein nicht ganz deutlich wird.


Diagnostische Instrumente


Es gibt verschiedene Instrumente zur Diagnostik von Dissoziation. Diese lassen sich unterteilen in Fragebögen zur Selbst- und zur Fremdbeurteilung:
Selbstbeurteilung:
  • Dissociative Experience Scale (DES) / Fragebogen zu dissoziativen Symptomen (FDS)
  • Impact of Event Scale (IES) – Misst Intrusion, erhöhtes Arousal und Vermeidungsverhalten nach Trauma

Fremdbeurteilung:
  • Structured Clinical Interview for DSM-IV Dissociative Disorders (SCID-D)
  • Dissociative Disorders Interview Schedule (DDIS)


Dissoziation als therapeutische Technik


Diese Fähigkeit des Menschen zur Dissoziation kann therapeutisch genutzt werden: In der Psychotherapie steht der Begriff für eine bewusst vorgenommene Veränderung der Wahrnehmung weg vom vollständig identifizierten Erleben zu einer „Meta-Position“ (siehe auch Metaebene), aus der heraus sich der Mensch quasi „von außen“ betrachtet (Heautoskopie), um seine Gefühle oder mentalen Vorgänge bewertungsfrei zu erkennen (beispielsweise so, als ob man eine Situation, bei der man beteiligt ist, in einem Kinofilm betrachten würde). In der Gesprächstherapie und der systemischen Therapie ist die Dissoziation ein wichtiges Element der therapeutischen Arbeit, ebenso in der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie (PITT).

Literatur


  • Schauer M, Elbert T (2010). Dissociation following traumatic stress: etiology and treatment. Journal of Psychology. Vol. 218(2):109–127.
  • Onno van der Hart, Ellert R.S. Nijenhuis und Kathy Steele: Das verfolgte Selbst. Strukturelle Dissoziation. Die Behandlung chronischer Traumatisierung (Originaltitel: The Haunted Self. Structural Dissociation and the Treatment of Chronic Traumatization). Junfermann Verlag, 2008. ISBN 978-3-87387-671-2
  • Berit Lukas: Das Gefühl, ein NO-BODY zu sein. Depersonalisation, Dissoziation und Trauma. Junfermann Verlag, 2. Auflage 2008. ISBN 978-3-87387-534-0
  • Imke Deistler und Angelika Vogler: Einführung in die Dissoziative Identitätsstörung. Junfermann Verlag, 2. Auflage 2005. ISBN 978-3-87387-497-8
  • Lydia Hantke: Trauma und Dissoziation. Modelle der Verarbeitung traumatischer Erfahrungen. Wissenschaftlicher Verlag, Berlin 1999. ISBN 3-932089-21-9.8 (PDF)
  • Peter Fiedler: Dissoziative Störungen und Konversion. Psychologie Verlagsunion, 2001. ISBN 3-621-27494-4
  • Frank W. Putnam: Diagnose und Behandlung der Dissoziativen Identitätsstörung. Junfermann Verlag, 2003. ISBN 978-3-87387-490-9
  • Franz Resch, Michael Schulte-Markwort: Kursbuch für integrative Kinder- und Jugendpsychotherapie. (Schwerpunkt: Dissoziation und Trauma) Psychologie Verlagsunion. ISBN 3-621-27554-1
  • Luise Reddemann, Arne Hoffmann, Ursula Gast (Hrsg.): Psychotherapie der dissoziativen Störungen. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2004. ISBN 3-13-130511-8
  • Ellert R.S. Nijenhuis: Somatoforme Dissoziation (Originaltitel: „Somatoform Dissociation“) Junfermann Verlag, 2006. ISBN 978-3-87387-623-1
  • Dulz, B. Sachsse, U: Dissoziative Phänomene: vom Tagtraum über die Multiple Persönlichkeitsstörung zur Dissoziativen Identitätsstörung. In Kernberg, Dulz, Sachsse (Hrsg.), Handbuch der Borderlinestörungen, (S.245-246) Schattauer Verlag, 2001. ISBN 3-7945-1850-0


Weblinks


  • [http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/028-009.html AWMF-Leitlinie „Dissoziative Störungen, Konversionsstörungen (F44)“] der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP), Stand 1. November 2006 (abgerufen am 18. September 2011)
  • [http://www.traumhaus-bielefeld.de/dl/Vortrag_Gast_2.pdf Vortrag Ursula Gast: Dissoziation zwischen Störung und Heilung] (PDF-Datei; 181 kB)
  • [http://www.isst-d.org/ International Society for the Study of Trauma and Dissociation]


Einzelnachweise


1 DSM-IV
2 ICD 10
3 Ellert R.S. Nijenhuis: Somatoforme Dissoziation (Originaltitel: Somatoform dissociation) // Junfermann Verlag, 2006, ISBN 3-87387-623-X Reihe Fachbuch.Traumaforschung; … sowie auch: http://translate.google.de/translate?hl=de&ie=UTF-8&oe=utf-8&u=http://www.trauma-pages.com/a/nijenhuis-2004.php Trauma-Informationsseiten, Artikel Nijenhuis 2004
4 Ellert Nijenhuis, Onno van der Hart, Kathy Steele: Strukturelle Dissoziation der Persönlichkeitsstruktur, traumatischer Ursprung, phobische Residuen, in: L.Reddemann, A.Hofmann, U.Gast (Hrsg.): Psychotherapie der dissoziativen Störungen (2004). Stuttgart: Thieme, S.47-69 ISBN 3-13-130511-8
5 Onno van der Hart, Ellert R.S. Nijenhuis, Kathy Steele: Das verfolgte Selbst. Strukturelle Dissoziation und Behandlung chronischer Traumatisierung (2008). Paderborn: Junfermann, ISBN 978-3-87387-671-2
6 Jochen Peichl: Die inneren Trauma-Landschaften. Borderline, Ego State, Täter-Introjekt (2007). Stuttgart: Schattauer ISBN 978-3-7945-2521-8
7 Miyasaki JM, Sa DS, Galvez-Jimenez N, Lang AE. Psychogenic movement disorders. Can J Neurol Sci 2003;30 Suppl 1:S94-100.
8 http://web.archive.org/web/20070928220237/http://www.institut-berlin.de/3_ueber-uns/hantke_trauma-und-dissoziation.pdf Hantke.pdf

Siehe auch


  • Dissoziative Identitätsstörung



Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Dissoziation_(Psychologie)

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